Barista: Traumberuf zwischen Himmel und Hölle

 

Es ist laut, es ist heiß und es dampft und faucht wie in Dantes Vorhölle. Doch eigentlich ist es das Paradies.

Viele Reisende steuern die erste Kaffeebar nach dem Brenner an, stellen sich an den Tresen („al banco“) und genießen Cornetto con Crema und einen wunderbar dichten, dunklen Trank, der sofort ins Blut geht: Mit dem ersten italienischen Espresso („caffè") sind die Lebensgeister wieder da. Und die gute Laune gleich mit. Weggewischt ist die Nachtfahrt über die Alpen. Das ist Italien, ein Stück Glück auf der Zunge.

 

Italiens Kaffeekultur ist fast 500 Jahre alt

1592 beschreibt der venezianische Arzt und Botaniker Prospero Alpini eine wundersame Pflanze in seiner Studie „De plantis Aegypti“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Prospero_Alpini), deren Samen, gemahlen und in heißem Wasser gelöst, belebende Wirkung entfalten.

Kaffee ist zwischen Bozen und Catania nicht irgendein Wachmacher mit Koffein, sondern eigentlich ein Stück Kultur, das noch an der letzten Tankstelle und dem kleinsten Dorf zelebriert wird. Die Männer (überwiegend sind es noch Männer) an der Maschine sind Künstler, die Kaffee zwischen sirrenden Mahlwerken und dampfenden Stahlgehäusen zaubern.

Geschmacksexplosion zwischen Crema und Kaffeesatz

Baristi sind ausgebildete Spezialisten ihres Fachs. Was sie von frühmorgens bis spätabends aufführen, ist ein Tanz um chromglänzende Kaffeemaschinen, eine genau eingespielte Choreographie von Händen, Augen und Ohren. Je nach Luftfeuchtigkeit, Wasserqualität und Lage (Meereshöhe) verändern sie Mahlgrad, Temperatur und Zubereitungszeit. Denn der Kaffee soll zwar vollmundig sein – und heiß –, aber niemals verbrannt schmecken. Kein Wunder, dass es eine Barista-Weltmeisterschaft gibt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen vor einer internationalen Jury Kaffee auf die Sekunde zubereiten und zwei Gläser Caffè Latte oder Tassen Cappuccini mit identischem Milchschaummuster versehen, die sogenannte Latte Art. Herzen sind da schon nichts Besonderes, es kann schon ein Schwan sein. Am besten entwirft der Barista ein völlig neues Motiv.

Am Anfang stehen guter Kaffee und Fingerspitzengefühl: Es braucht einen Barista, der das Ritual vollzieht: Kaffee mahlen, Siebträger einhängen, Maschine starten und zusehen, wie es aus beiden Seiten des Siebträgers sirupartig dunkel herausfließt. Einschenken, je nach Wahl der Gäste Milchschaum hinzufügen und mit einem Lächeln servieren. Zeitgleich den Satz in einer Schublade ausklopfen, Siebträger wechseln – und schon beginnt das Schauspiel von vorne. Die Maschine blitzt und blinkt, die Tassen oben drauf sind natürlich vorgewärmt. Zum Kaffee gibt es Wasser, das man am besten gleich vor dem Coffein zu sich nimmt, damit der Mund vorbereitet ist auf den ersten Schluck und die Geschmacksexplosion zwischen Crema und Kaffeesatz, der sich am Grund der Tasse sammelt.

Kultur für Auge und Gaumen

Italiens Kaffeekultur sucht ihresgleichen: Italienerinnen und Italiener genießen rund fünf Kilo des köstlichen Getränks im Jahr (wir Deutsche trinken übrigens mehr – aber selten konzentrierten Espresso). Den Kaffee trinken sie vor allem außer Haus, in Bars und Restaurants (was wiederum rund 70 % der gesamten Ausgaben ausmacht). Es gibt ihn rund um die Uhr, also wirklich bis spät in die Nacht. Wer einmal südlich von Neapel Urlaub machte und ein (für deutsche Verhältnisse) spätes Abendessen zu sich genommen hat, sieht auch noch nach 22 Uhr Gäste eintreffen, die sich dann gegen Mitternacht mit einer guten Tasse Kaffee in die Nacht verabschieden.

Römische Genüsse

Caffè della Pace, Piazza delle Pace 4

Tazza D’Oro La casa del caffè, Via Degli Orfani 84

Antico Caffè Greco, Via Condotti 86

Caffè Canova, Piazza del Popolo 16-17

Natürlich bleibt es nicht bei einem einfachen Caffè (unserem Espresso), den es wahlweise mit wenig Wasser als ristretto gibt. Pur gewissermaßen, die reine Essenz aus Bohnen, richtigem Mahlgrad und dem Geschick des Coffein-Sommeliers. Wer es etwas gehaltvoller möchte, wählt Caffè Macchiato mit etwas aufgeschäumter Milch. Cappuccino oder gar Latte Macchiato drehen den Spieß um. Milchschaum und Milch, dazu einen Schuss starken Kaffees. Beide werden südlich der Alpen nie nach 11 Uhr morgens getrunken, keinesfalls jedoch nach einer Mahlzeit. Natürlich lässt sich der Caffè auch strecken – als Caffè Americano oder Caffè Lungo mit heißem Wasser verlängert. Und schließlich gibt es noch den „korrigierter“ Caffè Correto. Er kommt mit einem Schuss Grappa oder Sambuca.

Kaffee gibt es in Italien immer und überall. Er ist unglaublich gut und günstig. Ein ungeschriebenes Gesetz sagt, dass er am Tresen einen Euro kostet. Hoffentlich bleiben uns diese paradiesischen Zeiten erhalten!

 

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