Handwerkliche Meisterleistung

In Neapel wurden schon immer die schönsten Krippen des Landes gefertigt. Das Handwerk verbindet Fingerspitzengefühl mit einer langen Tradition und ist einzigartig: winzige Hände recken sich empor, leuchtende Gesichter und Figuren, die lebendig scheinen. In der Via San Gregorio Armeno, mitten in der quirligen Altstadt Neapels, schlägt das Herz des traditionellen Krippenhandwerks. Auch wenn inzwischen profane Idole wie Diego Maradona auftauchen, katapultiert uns der Spaziergang in eine Welt, die viel Zeit aufwandte, um teils gigantische Krippen zu formen und mit wunderbaren Figuren auszustatten. Ihre Detailfreude machte sie zu Erzähllandschaften, bevor es das Kino gab. Das Auge geht auf Wanderschaft und entdeckt immer mehr kleine Geschichten. Schon Goethe berichtete über die Leidenschaft der Neapolitaner für Krippen, die sie „mit immergrünen Bäumen und Sträuchen“ schmückten. Ihr aufwendige Inszenierung verschlang Unsummen.

Erste Krippen tauchten im 15. Jahrhundert auf, bald schon entwickelten sie sich zu prächtigen Landschaften aus Holz, Marmor und Wachs. Zur Goethezeit waren die neapolitanischen „pastorelli“ bereits gefragte Kunstwerke mit diversen Charakterköpfen auf beweglichen Gliederpuppen. Es entstand eine kleine Industrie mit Spezialisten für die verschiedenen Teile, was sich noch heute in den Gassen der Stadt bestaunen lässt, in denen sich kleine Armeen von Kamelen, Schafen und Engeln in den Vitrinen finden. Als „Pastori“ bezeichnete man alle Nebenfiguren wie Fischverkäufer oder Maronenbräter. Markenzeichen neapolitischer Handwerkskunst waren und sind die sogenannten „finimenti“: winzige Beigaben wie Tiere, Frucht- und Gemüsekörbe, Käseplatten, dazu Eier, Makkaroni und Wurst.

Im späten 18. Jahrhundert zeigten die Köpfe der Porzellanmanufaktur Capodimonte einen bis heute unübertroffenen Realismus. Und während Patrizier schon mal Krippen für mehrere 10.000 Dukaten in Auftrag gaben und sich wechselseitig zu übertrumpfen suchten, öffneten sie zur Weihnachtszeit die Pforten ihrer Häuser, um auch den Armen einen Blick auf ihre prachtvollen Krippen zu gewähren. Nach einer alten Tradition baute man am 8. Dezember die Weihnachtskrippen auf. Das Jesuskind („Santo Bambino“) kam erst in der Nacht auf den 25. Dezember hinzu.

Einen Einblick in die lange Tradition bietet die Krippensammlung des Bayerischen Nationalmuseums in München, die wohl größte Kollektion ihrer Art nördlich der Alpen.

Aktuelle Ausstellung: Crazy Christmas, bis 28. Januar 2024, https://www.bayerisches-nationalmuseum.de/besuch/ausstellungen/crazy-christmas

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