Design made in Italy: Ernesto Gismondi, der Gründer von Artemide
Ernesto Gismondi, der Gründer von Artemide
Die wenigsten kennen Örni Halloween. Doch die Design-Leuchten, die er auf den Markt gebracht hat, sind uns vertraut wie alte Bekannte. Etliche, wie Tolomeo oder Tizio, sind italienische Design-Ikonen und begründen die Entwicklung Artemides zu einer international führenden Leuchtenmarke – eine gigantische Erfolgsgeschichte, die ohne Ernesto Gismondi alias „Örni Halloween“ nicht denkbar wäre. Mit seiner Leidenschaft für visionäre Technik in höchst ästhetischer Form prägte er die Entwicklung des Unternehmens bis zu seinem Tod am 24.12.2020 im Alter von 89 Jahren.
Seine Passion für technischen Fortschritt, neue Materialien und mutiges Design hat Gismondi nie aus den Augen verloren. Statt einer geradlinigen Karriereleiter gleicht sein Lebenslauf eher einem facettenreichen Kaleidoskop. Bevor er 1960 zusammen mit dem Designer Sergio Mazza in Mailand Artemide gründete, hatte er nicht Design oder Architektur studiert, sondern Luft-, Raumfahrt- und Raketentechnik. Zwischen 1964 und 1984 lehrte Gismondi als Professor und Experte für Raketentriebwerke am Polytechnikum Mailand. Das Ausloten von Einsatzmöglichkeiten neuer Materialien und Technologien ist die Schnittstelle beider Bereiche – und bis heute ein wesentlicher Motor des Unternehmenserfolgs. Dabei geht es nicht nur um die Technologie an sich, sondern darum, sie für das Wohlbefinden des Menschen zu optimieren und ein individuelles Licht zu schaffen, das ihn bei allen Tätigkeit bestmöglich unterstützt. Ein Ansatz, den Ernesto Gismondi und seine Frau Carlotta de Bevilacqua, heute CEO und Präsidentin von Artemide, in den 1990er Jahren als „The Human Light“ zur Firmenphilosophie erhoben.
Die zweite Schiene des Erfolgs beruht auf Gismondis Idee, renommierte Designer an Bord zu holen. „Als wir mit Artemide starteten, war es die Zusammenarbeit mit bekannten Architekten, aus der wichtige Leuchten entstanden sind: so etwa mit Gio Ponti die Wandleuchte Fato.“, so Ernesto Gismondi. Namen wie Mario Botta, Michele De Lucchi, Richard Sapper und Ettore Sottsass lesen sich in der Liste seiner kreativen Mitstreiter wie das Who is Who der Architektur- und Design-Legenden. Bis heute prägen Größen der internationalen Designerszene wie Bjarke Ingels Group, Herzog & de Meuron oder Neri & Hu – um nur einige zu nennen - den Genius der Artemide-Leuchten und sorgen für kulturelle Vielfalt.
Nur der Name Örni Halloween erschien in diesem Zusammenhang merkwürdig fremd. Dahinter verbarg sich Ernesto Gismondi selbst, der anfangs seine eigenen Leuchten-Kreationen unter diesem Pseudonym herausbrachte. Immer war der ideenreiche Ingenieur auch mit einer guten Portion Mut bei der Sache, beispielsweise als Mitbegründer der Gruppe „Memphis“, die in den frühen 1980er Jahren die Einrichtungsbranche mit avantgardistischen, schrill-bunten Entwürfen aufmischte.
Bei Artemide leitete Gismondi nicht nur die Produktion, sondern auch die Bereiche Handel und Finanzen. Darüber hinaus war das vitale Allroundtalent im Industrie- und Arbeitgeberverband, beim Messeveranstalter Cosmit oder im Ministerium für Unterricht, Universitäten und Forschung aktiv, und er fungierte als Vizepräsident des Verbandes für Industriedesign (ADI). So viel Engagement verdient einen Orden! Im Jahr 2008 wurde Ernesto Gismondi für seine Verdienste in Industrie, Handel, Wissenschaft und Lehre vom italienischen Präsidenten zum „Cavaliere del Lavoro“ zum „Ritter der Arbeit“ ernannt – nur eine seiner zahlreichen Auszeichnungen.
Neben der Unternehmensphilosophie „The Human Light“ sind heute Nachhaltigkeit und Energieeffizienz die großen Themen. Das Leuchtmittel der Zukunft sah Altmeister Gismondi in der LED. „Damit wurden Entwicklungen wie Solar Tree erst möglich, eine von der zentralen Energieversorgung unabhängige Außenleuchte mit Solarpaneelen und LED, die wir zusammen mit Ross Lovegrove entwickelt haben. Licht, ohne erst ein Stromnetz bauen zu müssen! Die Entwicklung geht da rasant weiter und wird eine weitere Evolution in der Lichttechnik bringen“, erklärte er und sorgte mit seinem Netzwerk von Kreativen dafür, dass Artemide diese Entwicklung weiter voranbrachte. Nicht nur für seine 2015 entstandene Leuchte „Discovery“ erhielt Ernesto Gismondi den bedeutendsten italienischen Designpreis „Compasso D’Oro“, sondern 2018 auch für sein Lebenswerk. „Als Gründer von Artemide (...) war er während seiner langen Karriere ein Wegbereiter der Kooperation in der Welt des nationalen und internationalen Designs“, hieß es in der Laudatio der Jury.
Ständig der Zeit voraus und nie zurückschauen – getreu dem Lebensmotto von Ernesto Gismondi werden Carlotta de Bevilacqua und das Artemide Team das Unternehmen im Sinne seines Gründers erfolgreich in die Zukunft führen.