Göttlicher Gaumen

Es kommt immer öfter vor: Die Gäste stehen vor der Tür und überreichen statt einer Flasche Wein Olivenöl. Die mediterrane Küche hat uns längst erobert, Gourmets schwärmen von kaltgepresstem Extra Vergine Olivenöl aus Italien. Doch worauf kommt es an? Eine kleine Einstimmung in die Welt guter Olivenöle.

Ernte

Die Olivenernte steht an. Von Oktober bis Ende Dezember bringen die Olivenbauern die Frucht eines ganzen Jahres ein; traditionelle Handlese setzt auf die brucatura-Methode: Sie schlagen auf Äste und Zweige, worauf die Oliven auf ausgelegte Netze fallen. Schon das Aussehen der Oliven verrät etwas über ihre inneren Werte. Ihre Schalen verfärben sich von leuchtend grün über violett nach schwarz. Ideal gilt der Augenblick, wenn dieser Farbumschlag etwas über die Hälfte der Oliven umfasst, denn dann erreichen auch die Polyphenole ihren Höchststand. Diese bioaktiven Substanzen (Farbstoffe, Geschmacksstoffe, Tannine) sind entscheidend für Geschmack und Ernährungswert und fungieren als natürliche Antioxidantien (siehe GESUNDHEIT).

 

Gesundheit

Olivenöl schätzten schon die römischen Kaiser, heute wissen wir warum. Es steckt viel Gutes in ihm, wenn es schonend kaltgepresst wurde: Antioxydanzien wirken dem Alterungsprozessen entgegen und ungesättigte Fettsäuren sind essenziell. „Die spezielle Zusammensetzung verschiedener Fettsäuren ist besonders gut für das Herz-Kreislauf-System.“ Das funktioniert aber nur, wenn das Öl auch wirklich kalt gepresst wurde, also bei Temperaturen unter 27 Grad. Nur so bleiben wertvolle Inhaltsstoffe erhalten.

Sorten

Es ist wie beim Wein, nur wilder: Wer einen „Riesling“ bestellt, bekommt womöglich zur Antwort: „Von der Mosel oder von der Nahe, aus Österreich oder Südtirol?“ Auf die Sorte kommt es an, dazu auf die Region, den Winzer und die Lage. Und natürlich auf den Jahrgang. In Italien gibt es sagenhafte 500 Oliven-Sorten, was das Land klar zur Nummer eins weltweit macht, auch, was die Geschmacksvielfalt angeht. Olivenöl ist nicht Olivenöl. Einige wichtige Sorten sind –verbunden mit der bevorzugten Anbauregion: Casaliva (Gardasee), Coratina (Apulien), Grignano (Venetien), Itrana (Latium), Moraiolo (Toskana) oder Tonda Iblea (Sizilien). Wie bei Rebsorten gibt es große Unterschiede bei Geruch, Geschmack und Intensität. Auf den eigenen Geschmack kommt es an.

Klassifizierung

Wie lassen sich die 500 Sorten und zahllosen Regionen überhaupt vernünftig vergleichen? Zum Glück gibt es neben zahlreichen PREISEN und WETTBEWERBEN eine grundlegende Kategorie. Um als “extra vergine” durchzugehen, müssen Olivenöle drei Komponenten verbinden, fruchtige, bittere und scharfe Bestandteile. Das muss nicht heißen, dass alle drei gleichermaßen prominent sind, sie sollten aber spürbar sein, zu riechen beziehungsweise zu schmecken. Sobald ein Öl nicht alle Kriterien erfüllt, wandert es in einer niedrigeren Klasse.

Wettbewerbe/Preise

Erste Orientierung bieten Wettbewerbe. Und auch da schneiden Italiens Olivenbauern überragend ab. 2017 ergatterten ihre Olivenöle zusammen 124 Preise beim wohl weltweit wichtigsten Wettbewerb, der New York International Olive Oil Competition (bei rund 900 Produzenten aus 27 Nationen). Preise vergeben beispielsweise auch der italienische Weinführer „Gambero Rosso“ oder „Der Feinschmecker“ mit seinem Olio Award. Wer also nicht selbst an einer Verkostung teilnehmen kann, kann sich an Preisträgern orientieren und sich dann nach und nach eigene Favoriten erschmecken. Denn wie überall gibt es nur ein Kriterium für Geschmack: den eigenen Gaumen.

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